Diskutierten über die Entwicklungen in der ambulanten Pflege (v.l.): Julia Loh, Liliane Przybilla, Dorothea Arnold, Eva Hofmann, Andreas Fölsing und Beate Schywalski. Quelle: Caritasverband Gießen
Das Team aus 23 Mitarbeiterinnen ist jeden Tag in Gießen in den weißen Caritas-Autos unterwegs, um Menschen in ihrem Zuhause zu pflegen und zu betreuen. Die Mitarbeitenden feierten mit Ehrengästen, Klientinnen und Klienten, Vertretern des Caritasverbandes Gießen und ehemaligen Mitarbeitenden dieses "gar nicht selbstverständliche Jubiläum", wie Andreas Fölsing, Bereichsleiter Alten- und Krankenhilfe, bei seiner Ansprache betonte. Die ambulante Pflege arbeite unter enormen wirtschaftlichen Zwängen, die schon manche Pflegedienste in die Insolvenz getrieben hätten. Die Preise, die die Pflegekassen für Pflege und Hauswirtschaft vorgeben, seien "auf Kante genäht." Außerdem wirkten sich die hohen Lebenshaltungskosten negativ aus, weil sich die Klientinnen und Klienten Leistungen, die sie selbst bezahlen müssten, nicht mehr leisten könnten. Die Sozialstation Gießen habe schwere Zeiten hinter sich, aber diese habe sie "mit der Schwarmintelligenz der Mitarbeitenden" bewältigt, denn "die kennen sich beim Klienten am besten aus", sagte Fölsing. So sei es dem Team gemeinsam gelungen, Wegezeiten zu reduzieren und den Klientinnen und Klienten weitere Leistungen anzubieten, die individuell passen und ihnen helfen. "Sie sind zu einer tollen Truppe zusammengewachsen", lobte er das Team. Besonders die neue Pflegedienstleiterin Julia Loh habe zusammen mit ihrer Stellvertreterin Kerstin Zerrouki die Sozialstation wieder auf Kurs gebracht. So lebe das Team das, was Caritas ausmacht: Nächstenliebe und Menschlichkeit.
Pfarrer Olaf Schneider, Pfarrvikar im Pastoralraum Gießen-Stadt, dankte als Vertreter für den erkrankten Aufsichtsratsvorsitzenden Pfarrer Erik Wehner dem Team für seinen "wichtigen Dienst", der alten Menschen Begegnung ermögliche. Er segnete die Mitarbeitenden der Sozialstation und erbat für ihren Dienst "Kraft, offene Augen, Geduld und gute Rahmenbedingungen, damit sie menschenwürdig pflegen können".
"In diesen Beruf verliebt"
In einer Podiumsdiskussion wurde die Entwicklung der ambulanten Pflege in den letzten Jahrzehnten deutlich. Liliane Przybilla, genannt Schwester Lilli, die seit 42 Jahren als Pflegefachkraft im Team der Sozialstation aktiv ist, erzählte sehr anschaulich, wie sie sich zu Beginn "in diesen Beruf verliebt" habe. Damals habe das Personal alles machen dürfen - Wunden schneiden, Spritzen setzen, Antragstellungen unterstützen und Trauerbegleitung. Das sei heute anders. Sie bedankte sich mit Blumen bei den Leitungskräften des Caritasverbandes für die Unterstützung. Dorothea Arnold, die über 30 Jahre die Sozialstation geleitet hat, erinnerte sich, dass die Pflege zu Beginn über Zettel organisiert wurde und sie bei Dienstplanänderungen die Klientinnen und Klienten anrufen musste, um irgendwo ihre Mitarbeitenden zu erreichen und zu informieren. Es habe eben noch keine Handys gegeben. Allerdings habe das Team auch damals schon Autos zur Verfügung gehabt.
Julia Loh, die seit Mai die Sozialstation leitet, sagte dann auch lächelnd, sie sei froh, dass es heute Diensthandys gäbe und sie ihren Mitarbeiterinnen so leicht Informationen schicken könne. Und für die Änderung des Dienstplans müsse sie nicht ins Büro, das gehe außerhalb ihrer regulären Arbeitzeit notfalls auch zuhause am Laptop. So sei die Digitalisierung schon eine Erleichterung. Ein großes Problem sei das Finden von gutem Personal. Die generalistische Ausbildung in der Pflege, in der nicht mehr getrennt für Kranken-, Alten- oder Kinderkrankenpflege ausgebildet werde, sondern für alle Bereiche zusammen, habe zu weniger Personal für die Ambulante Pflege geführt, so Loh. Viele gingen nach der Ausbildung lieber in die Krankenhäuser. Gutes Personal zu finden sei schwierig. "Aber die, die zu uns kommen, können wir binden. Sie bleiben gerne im Team", sagte sie nicht ohne Stolz. "Es ist entscheidend, dass sich neue Kräfte im Team wohlfühlen. Und das gelingt in der Sozialstation", ergänzte Bereichsleiter Andreas Fölsing.
Caritasdirektorin Eva Hofmann wies darauf hin, dass die minutengenauen Vorgaben der Pflegeversicherungen und die "überbordende Bürokratie" die Arbeit belasteten. Sie dankte ebenfalls dem Team der Sozialstation: "Wenn Sie all die Entwicklungen der letzten Jahre nicht so toll mitgemacht hätten, wäre die Sozialstation nicht 50 Jahre alt geworden."
In Zukunft mehr Quereinsteiger qualifizieren
Vielen Menschen sei nicht klar, dass eine moderne Sozialstation am Tag genauso viele Klientinnen und Klienten versorge wie ein Altenpflegeheim, betonte Beate Schywalski, Referentin für Altenhilfe und Betriebswirtschaft im Caritasverband für die Diözese Mainz. Generell gingen zu wenig junge Menschen in die Pflegeberufe. Es sei darum eine Herausforderung für die Zukunft, mehr Menschen als Quereinsteiger für die Pflege zu qualifizieren, die die Arbeit der Fachkräfte unterstützen. Die Digitalisierung und moderne technische Hilfsmittel könnten zwar manches erleichtern, doch werde auch in Zukunft die Pflege ein Dienst von Menschen am Menschen sein.
Das Geigen-Trio Annica, Franziska und Julia Loh sorgte mit mehreren Musikstücken für einen festlichen Rahmen. Bei einem Imbiss klang das Fest mit Gesprächen und Begegnungen aus.