Aktuell erleben Menschen aus benachteiligten Stadtteilen mehr als andere die Auswirkungen der Krisen der vergangenen Jahre. Dazu gehören soziale Ausgrenzung, zunehmende Armut und prekäre Lebensverhältnisse sowie steigende psychische Belastungen.
Dass das Wohngebiet Eulenkopf früher als "Sozialer Brennpunkt" bezeichnet wurde, führt noch heute zu Vorurteilen und Ausgrenzung, die Bewohnerinnen und Bewohner fühlen sich stigmatisiert. Dies hat oft einen Rückzug ins "Milieu" und die Reproduktion sozialer Verhältnisse zur Folge.
Um dem entgegenzuwirken, antworteten die Bewohnerinnen und Bewohner im Rahmen des Foto-Kunst-Projektes in Form von künstlerischen Interventionen und deren öffentlicher Präsentation. Der Fokus des Projektes lag insbesondere auf der Beteiligung von Menschen aller Altersgruppen. An den Workshops nahmen so Personen zwischen fünf und 75 Jahren teil, wobei keine besonderen Fähigkeiten oder Sprachkenntnisse notwendig waren. Mit verschiedenen künstlerischen Mitteln setzten sich die unterschiedlichen Altersgruppen zunächst mit der Geschichte des Stadtteils auseinander, analysierten und dokumentierten die Gegenwart und entwickelten kreative Zukunftsideen für das gemeinsame Leben und Wohnen. Eine veränderte Fremdwahrnehmung des Stadtteils und der dort lebenden Menschen konnte so angestoßen werden.
Jede und jeder kann Kunst!
Vielfältige künstlerische Mittel haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu inspiriert, sich selbst Ausdruck zu verleihen. So haben sie eigene Potentiale und Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Mitgestaltung erkannt. Niedrigschwellige bis anspruchsvolle Methoden und Techniken kamen zum Einsatz und luden kreative Einsteigerinnen und Einsteiger sowie Menschen mit künstlerischer Erfahrung ein, teilzunehmen. Es entstand ein sicherer Rahmen für Austausch und Selbsterfahrung und ohne Leistungsdruck - frei nach dem Motto: Jede und jeder kann Kunst!
Ursprüngliche Ziele und Aufgaben entwickelten sich häufig weiter. Zu Beginn erlernte Fähigkeiten und Wissen wurden immer wieder bei neuen Workshops eingebracht. Aktuelle gesellschaftliche Themen sowie persönliche Anliegen wie Menschenrechte, Toleranz und Vielfalt wurden aufgegriffen und eingebaut.
Gefördert durch die Glücksspirale konnte die Gemeinwesenarbeit des Caritasverbandes Gießen drei Jahre lang ein vielfältiges, künstlerisches Programm anbieten. Eine Auswahl der künstlerischen Ergebnisse waren nun abschließend in der Ausstellung am Eulenkopf zu sehen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wählten für die Präsentation besondere Standorte im Stadtteil. An zehn Bauzäunen im Freien sowie in den Räumen des Caritasverbandes und des Athletikclubs Eulenkopf fanden die Kunstwerke passende Plätze.
Zu sehen waren Fotografien, Collagen, Malereien, Zeichnungen sowie digitale Kunstwerke. Auch unkonventionelle Techniken und Methoden (Actionpainting, Modelle, Skulpturen und Streetart) und eine Unterwasser-Installation wurden präsentiert. Eine Besonderheit des Projektes war, dass ein Medienteam viele Aktionen über die Laufzeit dokumentierte. Ein daraus entstandener Film wurde innerhalb der Unterwasser-Installation vorgeführt.
Abgerundet wurde die Finissage, zu der viele Bewohnerinnen und Bewohner gekommen waren, durch Redebeiträge, eine Broschüre und Postkarten zur Ausstellung, einen geführten Rundgang, einen Klavierspieler mit klassischer Musik und ein reichhaltiges Buffet.