2019 wurden allein 419 Menschen mit Migrationshintergrund im Vogelsberger Caritaszentrum beraten, 2020 sind es bis jetzt bereits 241 Menschen. All das sind nur Zahlen, hinter denen Menschen mit Geschichten und Schicksalen stecken. An diesem Punkt setzt die Caritas nun mit dem Projekt im Rahmen der interkulturellen Wochen des Vogelsbergkreises an.
Seit 30 Jahren arbeitet Andrea Hornisch, Mitarbeiterin im Jugendmigrationsdienst im Caritaszentrum, nun schon mit Migranten, hört sich dabei ihre Geschichten an, lernt die unterschiedlichsten Menschen aus unterschiedlichen Ländern kennen und erfährt dabei viel über deren persönliche Schicksale und über neue Kulturen. Eine Geschichte ist Hornisch dabei allerdings besonders in Erinnerung geblieben - und diese Erzählung gab so ganz nebenbei noch den Startschuss für das neue Projekt: Die Geschichte von Mirishahe Gashi aus dem Kosovo.
Eigentlich, so erzählt Hornisch, war es eine Strickjacke, die die Junge Frau mit nach Deutschland brachte. Die nämlich durfte Hornisch bei einem Besuch anziehen und kam dadurch schnell ins Gespräch, denn die Jacke, die Gashi auf der Flucht nach Deutschland trug, hat gleichzeitig eine wertvolle Bedeutung: Sie stammt von Gashis Oma. "Die Jacke musste unbedingt mit auf die Flucht. Sie gab mir Geborgenheit und erinnerte mich an meine Familie", erzählt Gashi. Über 100 Jahre ist sie alt, nun ist sie Teil des neuen Projekts.
Zum Start der diesjährigen interkulturellen Woche des Vogelsbergkreises startet das Caritaszentrum ein Projekt, in dem bedeutsame Dinge von geflüchteten Menschen in den Mittelpunkt gerückt werden und die so die Geschichte dieser Menschen erzählen, so wie die Strickjacke von Gashis Oma. Unter dem Titel "Weit gereist: von bedeutenden Dingen und wie sie in den Vogelsberg kamen" werden nun Menschen gesucht, die einen sehr alten oder noch jungen Schatz aus dem früheren Zuhause haben und ihn mit in die neue Heimat nach Deutschland brachten. Von diesen Dingen soll dann im Rahmen des Projekts ein Foto gemacht und ein Jahr später bei einer Fotoausstellung zu den interkulturellen Wochen 2021 ausgestellt werden.
So wie bei Galina Kwast. Bei der Teilnehmerin ist es ein anderer Gegenstand, der für sie ganz besonders ist: Es ist ein altes Tablett, was sie von einem ehemaligen Kollegen geschenkt bekamt. Kwast kam 1997 von Kasachstan nach Deutschland und behält durch das Tablett die Erinnerungen an ihre Heimat, die nämlich ist darauf abgebildet. "Das Bild erinnert mich an meine Heimat. Ich hänge sehr daran", sagt sie.
"Migration ist sehr vielfältig und mit diesen bedeutsamen Dingen wird ein großer Bogen zu den persönlichen Geschichten gespannt werden. Die eine Geschichte kann schon 70 Jahre alt sein, die andere erst ein Jahr", ergänzt Bereichsleiterin Renate Loth. Ansprechen wolle man Gastarbeiter, EU-Bürger, Kriegsflüchtlinge, Asylbewerber, Russlanddeutsche und all die Menschen, die auf anderen Wegen hier im Vogelsberg eine neue Heimat fanden und sich bereit erklären, ihre Geschichte auf Papier zu bringen. "Die Geschichten sind es alle wert erzählt zu werden, und wenn sich jemand traut, dann soll das auch geschätzt werden", sagt Andreas Goldberg von der Stadtjugendpflege Lauterbach, der gemeinsam mit Hornisch das Projekt begleiten wird. Bis Dezember sollten die Teilnehmer feststehen.
"Unser Bestreben ist es, vor allem bei der Integration zu unterstützen und zu begleiten. Integration ist - wie wir alle wissen - kein Selbstläufer. Es ist wichtig, dass man die Menschen, die hier sind, mit den neuen Menschen zusammenbringt. Das Zauberwort ist dabei sicherlich das Kennenlernen, denn das hilft beim Verstehen", sagt Loth. Der Anfang jedenfalls ist mit dem Beginn des Projekts schon einmal gemacht, jetzt geht es weiter. Bis Ende des Jahres können sich alle Interessierten mit Migrationshintergrund und auch bereitwillige Jugendliche bei Hornisch unter der Nummer 0160/5372440 oder per Mail an andrea.hornisch@caritas-giessen.de melden.
Quelle: oberhessen-live.de