Rund 30 Bewohnerinnen und Bewohner der Altenpflege-Einrichtung nutzten das Angebot, als die E-Rikscha drei Tage lang im Einsatz war. In die Pedale traten dabei in der Regel ehrenamtlich Engagierte. Die E-Rikscha wurde der Einrichtung kostenlos zur Verfügung gestellt dank einer gemeinsamen Aktion der Initiative Demenzfreundliche Kommune - Stadt und Landkreis Gießen (IDfK) und eines Angebots des Landes Hessen. Auch andere Einrichtungen in Gießen und Privatpersonen konnten das Angebot nutzen.
Radtour auch für alte Menschen mit Einschränkungen
Das Ziel ist, dass auch Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit und Menschen mit Demenz die Freude am Radfahren genießen können - und das coronagerecht. Ottilie Riehm ist dankbar, endlich einmal das Wohnviertel vor der Haustür der Einrichtung zu sehen, das sie zu Fuß nicht erreichen kann. "Das ist ja ein richtig schönes Wohnviertel", schwärmt sie und sagt: "Das könnte ich jeden Tag machen!" Ihre Sitznachbarin Ingeborg Müller kennt das Viertel zwar. Bis vor kurzem war sie dort zusammen mit ihrem Partner gerne zu Fuß unterwegs. Doch allein traut sie sich seit dessen Tod nicht mehr raus. Lisa Peppler berücksichtigte dies bei der Tourenplanung und fuhr die beiden Damen dann gezielt durch dieses Viertel. "Das war ganz schön sportlich", sagt sie hinterher. Die Steigungen seien ohne den E-Motor kaum zu schaffen. Auf ihrer Tour begegneten sie einer Kindergartengruppe, die das Gefährt erstaunt zur Kenntnis nahm. Da legte Peppler einen kurzen Stopp ein und aus dem gegenseitigen Zuwinken entwickelte sich dann ein kurzes Gespräch.
Peppler geht es bei diesem Angebot nicht nur um etwas Abwechslung im Alltag der alten Menschen. Die Eindrücke und Erlebnisse tun den alten Menschen gut und die E-Rikscha-Touren sind auch für Menschen mit Demenz möglich. "Bei Bedarf setzen wir eine Betreuerin mit in die Rikscha", erklärt sie.
Ehrenamtliche "Kapitäne" und "Piloten"
Bernd Stäudtner und Lisa Voigt fungieren bei der Aktion als ehrenamtliche "Kapitäne". Sie zeigen den "Piloten", die zum größten Teil auch ehrenamtlich diese Aufgabe übernehmen, wie die Rikschas funktionieren. "Das Lenken ist zum Beispiel schon anders als beim Radfahren", sagt Stäudtner. Das müsse man üben, bevor man die erste Tour mit den Gästen unternimmt. Und die Steigungen im Raum Gießen seien nur mit den drei Motorstufen der Rikscha zu bewältigen, aber auch das will gelernt sein. "Ich fahre gern Fahrrad", erzählt der 69-Jährige. Und schon lange ist er im Smartphone-Café im Rahmen der offenen Seniorenarbeit des Caritasverbandes aktiv. Der Umgang mit den Bewohnern der Altenpflegeeinrichtung sei für ihn allerdings neu. Manche hatten zunächst etwas Angst, manche brauchten etwas Zeit, bis sie auf der Bank der Rikscha auch Platz für den zweiten Fahrgast machten. Aber Stäudtner freut sich über die Begegnung und den Austausch mit den alten Menschen. "Vielleicht entstehen da auf Dauer auch Beziehungen, wenn ich sie öfters fahren kann."
Die Idee zu dem Angebot hatte Gundula Breyer, die sich beim Caritasverband um die ehrenamtlich Engagierten und um die offenen Seniorenangebote kümmert, schon bevor das Angebot der Initiative Demenzfreundliche Kommune kam. Schon lange überlegte sie, wie eine E-Rikscha für Maria Frieden und das Pflege- und Förderzentrum St. Anna genutzt werden könnte. Dann kam die Corona-Pandemie und eine Umsetzung war zunächst nicht möglich.
Zusammen denken Breyer und Stäudtner jetzt darüber nach, ob es sinnvoll wäre, dass der Caritasverband selbst eine Rikscha anschafft, "am besten eine, mit der wir auch Rollstuhlfahrer transportieren können", erzählt Breyer. Dann könnten auch Bewohner aus St. Anna mit schweren neurologischen Erkrankungen das Angebot nutzen. Im Herbst werden beide Einrichtungen eine solche Rikscha drei Monate kostenlos einsetzen können. Doch vor einem eventuellen Kauf will der Verband die E-Rikschas erst einmal testen und sehen, wie die Seniorinnen und Senioren reagieren. Ingeborg Müllers Urteil ist klar: "Es war wunderschön!"