Im Südstadttreff des Gießener Caritashauses Maria Frieden kommt Barbara Högy mit ihren Erklärungen kaum gegen die Diskussionen an den Tischen an. Dabei wollte die ehrenamtliche Leiterin des Smartphone-Cafés zuerst gerne allgemein zeigen, wie sich auf den Geräten die Uhrzeit ein- und umstellen lässt. Neun ältere Frauen und Männer sind diesmal ins Caritashaus gekommen, die gerne mit dem Smartphone umgehen, aber etliche Fragen dazu haben. Viele weitere haben Interesse, ohne Anmeldung geht es nicht und die Warteliste ist lang, erzählt die Initiatorin Gundula Breyer vom Caritasverband Gießen e.V.
Zusammen mit den fünf jungen Leuten sitzen die Senioren an den Tischen - alle über die Smartphones gebeugt. Im August 2017 hatte Gundula Breyer zum ersten Smartphone-Café des "Südstadttreffs" in Maria Frieden eingeladen. Dass das Interesse der Senioren so groß sein würde, hatte sie nicht erwartet. So suchte sie bald verzweifelt nach mehr Helfern, denn das Entscheidende ist, dass jedem einzeln auf seinem Gerät gezeigt wird, was wie funktioniert. Schließlich - so merken alle ganz schnell - sind die Geräte sehr verschieden. Barbara Högy, die sich auch in der Flüchtlingsarbeit engagiert, hatte die Idee, junge Flüchtlinge als Helfer zu engagieren. Wer die strahlenden alten wie jungen Gesichter in Maria Frieden sieht und ihr Lachen hört, merkt schnell: Hier profitieren alle voneinander.
Mit einem Lächeln nach Hause gehen
"Diese jungen Leute sind wirklich fit auf dem Smartphone, aber sie sind auch geduldig und einfühlsam, wenn sie uns etwas vermitteln. Sie sind nicht so schnell und hektisch wie mein Enkel. Sie haben mehr Respekt vor älteren Leuten", sagt Wilfried Boßhammer. Der 78-Jährige kommt regelmäßig mit seiner Frau hierher und ist dankbar für die Unterstützung der jungen Flüchtlinge. Diesmal hilft ihm der 20-jährige Syrer Adnan Bozan beim Einstellen der Uhrzeit. Auch der strahlt: "Es macht mir Spaß, wenn die Leute etwas Neues von mir lernen und dann mit einem Lächeln nach Hause gehen", sagt er in fließendem Deutsch. Für ihn sei es schön, hier "nette Leute" kennenzulernen. So ist er von Anfang an dabei. Er werde bald eine Ausbildung zum "Orthopädietechnik-Mechaniker" machen, erzählt er. Auch diesen Zungenbrecher bringt er locker über die Lippen, obwohl er erst seit zwei Jahren in Deutschland ist.
Wie Bozan kommen viele junge Syrer gerne nach Maria Frieden, denn auch sie profitieren sehr vom Smartphone-Café. Sie knüpfen neue Kontakte und alle wollen ihr Deutsch verbessern, denn das freie Reden trainiert sie mehr und anders als die Deutschkurse, die sie besuchen. "Mir haben vor allem ältere Leute sehr geduldig Deutsch beigebracht. Da möchte ich auch gerne Hilfe weitergeben", beschreibt der 30-jährige Malek seine Motivation.
Nach 90 Minuten ist das Smartphone-Café zu Ende. "Wie finden wir jetzt unser Auto? Wir parken am Altenheim St. Anna", fragt sich ein älteres Paar. "Kein Problem!", sagt Adlan Bozan. Schnell zeigt er ihnen, wie sie mit Google-Maps den kürzesten Fußweg zu ihrem Fahrzeug finden. Und Jutta Siejkowski und Mohammed Allhage Barkoth tauschen ihre Handynummern aus. Die Seniorin möchte den jungen Mann privat für Hilfe im Umgang mit ihrem Laptop engagieren. So entstehen Netzwerke, und genau das ist das Ziel des Projektes "SoNAh" des Caritasverbandes für die Diözese Bistum Mainz: "Sozialraumorientierte Netzwerke in der Altenhilfe" - unkomplizierte Kontakte und ehrenamtliche Hilfe, wo es nötig ist.
SoNAh - Nachbarschaftliche Netzwerke in der Altenhilfe tragen
Das Gießener Smartphone-Café ist nur eines von fast 150 Projekten, die im Rahmen des Projektes "Sozialraumorientierte Netzwerke in der Altenhilfe" des Caritasverbandes für die Diözese Mainz ins Leben gerufen wurden. An 15 Standorten im Bistum ging es darum, älteren Menschen einen längeren Verbleib in ihrem vertrauten Umfeld und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Das Projekt startete 2012 und wird in diesem Jahr abgeschlossen. Bistumsweit entstanden gemeinsam mit den Bewohnern der Stadtviertel Projekte, die das Leben im Quartier verbessern. Fast 1000 Ehrenamtliche brachten sich ein. Der Caritasverband für die Diözese Mainz und die Wilhelm Emmanuel von Ketteler-Stiftung unterstützten das Projekt mit insgesamt rund 1,3 Millionen Euro.
Vielfältige Angebote
In Gießen entstanden der Südstadttreff und das Café Anna mit vielfältigen Angeboten. Die hauptamtlichen Quartiermanagerinnen Gundula Breyer und Gisela Lich stellten mit vielen ehrenamtlich Aktiven und mit Kooperationspartnern ein umfangreiches Programm auf die Beine. Sowohl Bewohner der beiden Altenpflegeheime St. Anna und Maria Frieden als auch Menschen aus dem umliegenden Wohngebiet konnten und können Südstadtspaziergang, Strick-, Spiel-, Reise-, Literatur- und Smartphone-Cafés, Walkingrunden, Oster- und Adventsmärkte, Konzerte im Park, Familienbrunch, Tanztees und Caféhausmusik und vieles mehr besuchen. Oft, so betont Breyer, kamen die Ideen von den Bewohnern des Viertels selbst und wurden und werden gemeinsam mit ihnen mit umgesetzt.
Es geht weiter
"Mit dem Projekt SoNAh haben wir das Miteinander im Quartier befördert, ehrenamtliche Ressourcen dabei miteinbezogen", erklärte Diözesancaritasdirektor Thomas Domnick. "Es sind neue Angebote und Kontaktmöglichkeiten entstanden und unterschiedliche Personen und Gruppen miteinander ins Gespräch gekommen. Eine enge Zusammenarbeit mit den Pfarrgemeinden war dabei ganz wichtig. So konnte die Lebensqualität vieler Menschen im Quartier verbessert werden. Auch wenn das Projekt nun ausläuft, werden wir auf diesem Weg weitergehen." Auch in Gießen und nicht nur beim Smartphone-Café. Das Café Anna wird ab sofort jeden Freitagnachmittag geöffnet sein und bietet damit einen Treffpunkt für alle in dem Gießener Stadtteil.
Ansprechpartner
Caritasverband Gießen
Gundula Breyer
Telefon +49 641 686925-153
E-Mail: gundula.breyer@caritas-giessen.de